Design und Ausbildung in Bayern – Projektthese

Im Jahr 2021 steht das 50jährige Gründungsjubiläum der bayerischen Fachhochschulen an. Wesentlicher und höchst erfolgreicher Bestandteil mehrerer dieser heutigen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ist seit ihrer Gründung die Gestaltungsausbildung in den jeweiligen Studiengängen bzw. Fakultäten Design. Meist in Vergessenheit geraten ist allerdings nicht nur in den Hochschulen selber, sondern ebenso in Politik und Öffentlichkeit, dass diese Studiengänge und Fakultäten keineswegs aus dem Nichts entstanden sind. Vielmehr liegt eine ihrer historischen Wurzeln in regionalen, oft mindestens seit dem 19. Jahrhundert existierenden staatlichen Fachschulen für jeweils spezielle Handwerks- und Industriezweige mit gestalterischem Hintergrund. Zumindest einige dieser Fachschulen wurden 1971 in die neugegründeten Fachhochschulen integriert, entweder unmittelbar oder dadurch, dass sie bereits zuvor in Vorgängerinstitutionen der Fachhochschulen aufgegangen waren. Sie sind also auch Teil der historischen Identität der heutigen bayerischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften.

Es bietet sich daher an, für das anstehende 50jährige Gründungsjubiläum der heutigen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften dieses reiche historische Erbe in der Gestaltungsausbildung in Bayern aufzuarbeiten und einer breiten Öffentlichkeit in einer Wanderausstellung zu präsentieren, die von den Designhochschulen Bayerns, den bayerischen Museen, die angewandte Kunst und Design als Themengebiete haben, und den noch heute existierenden unabhängigen bayerischen Fachschulen für Gestaltung gemeinsam konzipiert wird.

Dies gilt umso mehr, als es sich – wie hier mit aller gebotenen wissenschaftlichen Vorsicht als These formuliert werden soll – bei diesen Fachschulen um einen bayerischen Sonderweg der Gestaltungsausbildung in Deutschland gehandelt zu haben scheint, dessen historische Entwicklung sowie die dahinterstehenden (entwicklungs-)politischen und (wirtschafts-)programmatischen Intentionen sowie gestaltungspädagogischen Theorien bis heute weitgehend unerforscht sind. Denn während Anfang des 20. Jahrhunderts überall in Deutschland – und dabei teilweise in direkter nachbarschaftlicher Konkurrenz (insbesondere in Preußen) – Kunstgewerbeschulen entstanden, beließ man es in Bayern bei nur zwei solchen „hohen“ Institutionen (München und Nürnberg), die bezeichnenderweise später in den örtlichen Akademien aufgingen. Ansonsten setzte man auf die genannten Fachschulen und damit auf eine deutlich pragmatischere Auffassung der Gestaltungsausbildung, als sie in der Idee der „Einheit der Künste“ zum Ausdruck kommt, die Leitbild der Kunstgewerbeschulen war.

In einer Publikation des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus wurden noch 1954 dreizehn derartige „Schulen der Form“ aufgeführt. Diese waren unterteilt in Textilfachschulen (u.a. die Staatliche Höhere Fachschule für Textilindustrie in Münchberg), Fachschulen für die Glasindustrie (die Staatlichen Fachschulen für Glasindustrie und Holzschnitzerei in Zwiesel und für die Gablonzer Glas- und Schmuckwarenindustrie in Kaufbeuren-Neugablonz), keramische Fachschulen (die Staatliche Fachschule für Keramik in Landshut und die Staatliche Höhere Fachschule für Porzellan in Selb), Fachschulen für Holzbearbeitung (u.a. die Staatliche Berufsfachschule für Holzschnitzerei in Oberammergau und die Staatliche Fachschule für Korbflechterei in Lichtenfels) und sonstige Fachschulen (die Staatslehranstalt für Photographie in München und die Staatliche Fachschule für Steinbearbeitung in Wunsiedel). Einige dieser Fachschulen existieren bis heute, andere haben ihre inhaltlichen Schwerpunkte erfolgreich verändert und / oder ausgebaut, wieder andere sind in den 1970er Jahren in die neuen Fachhochschulen integriert worden.

In der für Bayern spezifischen Dichte gab und gibt es derartige Fachschulen wahrscheinlich andernorts weder im Deutschen Reich noch in der Bundesrepublik Deutschland. Das Forschungs- und Ausstellungsprojekt möchte die Geschichte dieser bayerischen Schulen aufarbeiten, und zwar weniger im Sinne detaillierter Einzeldarstellungen als vielmehr in einer Gesamtschau unter Gesichtpunkten wie:

  • Beitrag dieser Schulen zur Wirtschaftsförderung und regionalen Profilbildung durch Gestaltung in Bayern im 19. und 20. Jahrhundert.
  • Kultureller Beitrag, den diese Schulen geleistet haben.
  • Positionierung und Selbstverständnis dieser Schulen gegenüber höheren künstlerischen (Akademien) und gestalterischen (Kunstgewerbeschulen / Werkkunstschulen) Ausbildungsinstitutionen in Bayern und im Deutschen Reich / Bundesrepublik Deutschland.
  • Positionierung und Selbstverständnis dieser Schulen gegenüber Handwerk und Industrie.
  • Verhältnis dieser Schulen zum Deutschen Werkbund bis 1933, insbesondere unter der Prämisse der auch in Bayern von führenden Werkbundmitgliedern propagierten Idee einer „Einheitskunstschule“ unter Führung der Architektur.
  • Rolle und Positionierung dieser Schulen im Nationalsozialismus.
  • Entwicklung dieser Schulen nach 1945.
  • Heutige Situation.
  • Welche Personen haben an diesen Schulen unterrichtet und welche sind aus ihnen hervorgegangen?

Das Forschungs- und Ausstellungsvorhaben wäre ein wesentlicher Beitrag zur – bisher allenfalls rudimentär geleisteten – Aufarbeitung der Geschichte der Gestaltungsausbildung in Bayern sowie zur Erörterung von deren spezifischen Ausprägungen und künstlerischen, wirtschaftlichen und politischen Absichten und Zielen in den vergangenen rund 150 Jahren. Es wäre mithin für die einzelnen Designhochschulen Bayerns und die bayrischen Museen, die angewandte Kunst als Themengebiet haben, und für den Freistaat Bayern von großer Wichtigkeit. Die Politik, die Bayern gern als Innovations-, Wirtschafts- und Designstandort positioniert, dürfte auch Interesse haben, dies wissenschaftlich zu untermauern und die Identität Bayerns in diesem Punkt zu stärken.

Eine Forschungs- und Publikationsreihe, begleitet von einer Wanderausstellung, die in Hochschulen, Museen oder Messen gezeigt wird, wäre ein gutes Mittel, diese Lücke zu füllen. Die Ausstellung 2018 von der Fakultät für Design der HS München wäre der erste Impuls, mögliche Förderer für dieses Projekt zu gewinnen, um eine breite Forschung zu aktivieren.

Text: Prof. Dr. Joachim Driller
Lehrgebiet Kunst-, Design- und Baugeschichte, Fakultät Design, HS Coburg